Wie verträgt sich Digitalisierung mit vorhandener (Alt-) Software?
Digitalisierung & IT
Aktuell stellt die Digitalisierung Unternehmen vor große Herausforderungen aber auch vor noch größere Möglichkeiten. Sie steht für radikale Veränderung von Unternehmen, Geschäftsprozessen und Produkten. Auf Grundlage technischer Vernetzung und 24/7 Informationsaustausch zwischen Systemen, Geräten und Menschen ist Information jederzeit, mobil, ohne Verzögerung, nahezu kostenlos verfügbar, änderbar und generierbar. Ermöglicht wird dies unter anderem durch große Rechenleistung und Speicherkapazitäten, schnelle (Funk-)Netze, mobile Geräte, Sensoren, Wearables, Internet-of-Things und künstliche Intelligenz. Dennoch ist Digitalisierung keine alleinige IT-Thematik und betrifft Unternehmen und Geschäftsmodell mindestens in gleichem Maße.
Legacy Systeme auf dem Prüfstand
In der Realität trifft man bei vielen Kunden auf große, über Jahrzehnte gewachsene Legacy Systeme, die mit Blick auf die aktuelle Digitalisierungsdebatte auf dem Prüfstand stehen. Diese Altsysteme enthalten riesige, wertvolle Code- und Datenmengen sowie fachliche Logik. „Legacy“ bedeutet im Englischen Vermächtnis und wird meist für etablierte, historisch gewachsene Softwarealtsysteme verwendet. In der Realität wird der Begriff jedoch mit älteren Technologien assoziiert und für Diskreditierung missbraucht. Einfach abschalten und durch Standardlösungen ersetzen ist bei diesen Systemen nicht angemessen. Eine Strategie für die kontinuierliche Erneuerung muss entwickelt werden. Die beliebte Maxime „Alte Technik = Legacy = Kann weg“ ist einfach, aber nicht richtig. Der große Umfang dieser Systeme und die zugehörigen Datenvolumina verbieten eine rasche, großflächige Ablösung.
Softwaresysteme sind immer auch Zeitkapsel und Spiegelbild ihrer Entstehungszeit. Genauso entscheidend wie die verwendete Technologie sind Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der damaligen Zeit. Bedingt durch den technischen Stand sind hartcodierte Werte, Duplikation und endlose Bedingungskaskaden oft lediglich die Spitze des Eisbergs. Mit bloßer technischer Verbesserung ist es hier nicht getan. In erster Linie ist Geschäftsinnovation notwendig!
Differenzierte Beurteilung von (Alt-) Software
Für die Ausarbeitung einer differenzierten und nachhaltigen Modernisierungsstrategie ist eine intensive und differenzierte Auseinandersetzung mit den vorhandenen Systemen und deren Wert unerlässlich.
Allein aufgrund der verwendeten Technologie kann und darf nicht pauschalisiert werden. Nur weil Systeme neu sind, sind sie nicht automatisch besser. Neue Technologien bieten neue Möglichkeiten, aber auch neue Fehlmuster. Sollten die vorhandenen Systeme lediglich technisch veraltet sein, eignen sich manche Alt-Systeme sogar besser für die Digitalisierung des Business als technologisch neuere Lösungen. Einige neue Systeme bringen mehr technisch-fachliche Schulden mit sich, führen häufiger zu Destabilisierung, wenig Strukturiertheit und Verlangsamung und behindern damit eher die Modernisierung.
Angebracht wäre es den Begriff „Legacy“ für ein unterdurchschnittliches Time-to-System und die Behinderung der Innovationsfähigkeit zu verwenden. Dadurch fallen auch viele neuere Systeme in die Kategorie „Legacy“. Die IT benötigt einen besseren Umgang mit alten und neuen „Legacy“-Systemen sowie weniger Tool- und Produkt-(„Standard“)-Gläubigkeit.
Fit für die digitale Zukunft
Wenn man erneuert, sollte man den Blick auf die Anforderungen in fünf Jahren richten und über die Welt in zehn Jahren nachdenken. Software soll so lange wie möglich einsetzbar bleiben. Alle Wege sind hierbei erlaubt: Behalten, partiell optimieren, Architektur anpassen, Rewrite… Aufgrund des Umfangs bieten sich bei den meisten Renovierungsprojekten zumeist eine schrittweise Erneuerung sowie ein Mischbetrieb von Alt/Neu über mehrere Jahre an. Dadurch entfällt die parallele Doppelpflege, der fachliche Freeze wird ausgeschlossen, der Nutzen ist zeitnah erlebbar und die Steuerbarkeit des Prozesses sehr hoch.
Fit für die Zukunft heißt innovationsfähig und kosteneffizient sein und bleiben. Das geht dauerhaft nur, wenn man mit den verwendeten Werkzeugen (Sprache, Architektur, etc.) auf der Höhe der technischen Möglichkeiten ist, ohne jedem Hype blind zu folgen. Das Alter der Technologie ist dabei nur ein Einflussfaktor unter vielen!